„Die Diagnose MS ist nicht das Ende, sondern nur die Herausforderung, einen anderen Weg zu gehen“, weiß Tanja heute.
Rückblick. 24. September 2011. Halbseitig gelähmt wird die 35jährige Passauerin ins Krankenhaus eingeliefert. Verdachtsdiagnose: Schlaganfall. Fünf Tage später steht fest: Sie hat nicht nur ein Loch im Herzen, sondern zusätzlich Läsionen im Gehirn und im Rückenmark vom Hals bis zur Höhe der Brustwirbel. „Sie haben MS. Multiple Sklerose“, sagt der Neurologe. Ihre Freundin bricht in Tränen aus. Tanja bleibt ruhig, wünscht dem Arzt beim Abschied „einen schönen Tag“. Vielleicht ist das der Schock. Vielleicht die zuversichtliche Gelassenheit einer Kämpferin, die sich selbst und dem Leben vertraut. Das schwerste für sie ist, ihren Ehemann Jörg und die Töchter Anna-Lena (14) und Sophie (11) so traurig zu sehen.
Hilflose Schulmedizin
Das Karussell der Schulmedizin beginnt mit Interferon. Die Läsionen verdreifachen sich. Ein zweiter Schub mit halbseitiger Gesichtslähmung und dem Verlust des Geschmackssinns vernichtet jede Menge Hoffnung. Die junge Mutter ist am Tiefpunkt: „Ich dachte, es ist weg. Aber Scheiße. Ich hab es ja wirklich.“
Mittlerweile lebt die Familie in Australien. Tanja beginnt trotz MS mit einer neuen Sportart, dem Laufen. Sie nimmt am Melbourne- Marathon und mit tausend anderen an einem Charity-Run gegen MS teil. Ist überwältigt, wie offen hier mit der Krankheit umgegangen wird, wie stark der Rückhalt für Betroffene ist. Träumt davon, der MS „eine Stimme zu geben“, auch im deutschsprachigen Raum. Schon ein Jahr später kehrt die Familie in die bayerische Heimat zurück.
Der dritte Schub schädigt die Sehkraft. Schlag auf Schlag folgt ein Medikament dem nächsten. Die Blutwerte verschlechtern sich. Nichts hilft. Das gefürchtete JC-Virus wird nachgewiesen. Progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) droht, lebensgefährlich. Tanja setzt alles ab, gilt als austherapiert. „Du bist wie ein Boot im Ozean, ohne Segel, ohne Ruder. Es tut mir so leid“, bedauert ihr Arzt. Tanja ist betroffen, zugleich erleichtert. Unter dem Einfluss der Chemie war ihr der eigene Körper fremd geworden.