Die Behandlung mit Pilzen (Mykotherapie) hat sowohl in der asiatischen Medizin wie auch in unserem europäischen Kulturraum eine lange Tradition. Dabei ist der Übergang von Ernährung zu Medizin fließend, denn die meisten Heilpilze dienen auch als Speisepilze.
Viele der eigentlich als asiatisch bekannten Pilze sind auch bei uns in Europa heimisch, werden aber hier meist nicht als Speisepilze gesammelt. (z.B. Auricularia= Holunderschwamm, Maitake= Klapperschwamm, Coriolus = Schmetterlingstramete, Hericium= Igelstachelbart, Polyporus= Eichhase). In der asiatischen Medizin werden die Pilze schon seit mehr als 3000 Jahren als Kräftigungsmittel und zur Vorbeugung und Behandlung einer Vielzahl von Krankheiten eingesetzt.
In der westlichen Medizin wurden bereits in der Antike, z.B. von Dioskurides oder Galen, Pilze in der Heilkunde eingesetzt. Später, im 12. Jahrhundert, empfahl Hildegard von Bingen bestimmte (Baum)Pilze gegen verschiedene Leiden und auch im Mittelalter und in der Klostermedizin spielten die Pilze noch eine wichtige Rolle. Danach jedoch verlor sich ihre Bedeutung im Zuge der „modernen Medizin“ mehr und mehr. In den 1990er Jahren wurde dann wieder vermehrt an ihnen geforscht, vor allem über die immunmodulierenden Inhaltsstoffe der Pilze und ihren Einsatz in der Krebstherapie.
Pilze gibt es schon seit etwa 100 Millionen Jahren auf der Erde. Sie sind weder Pflanzen noch Tiere, sondern nehmen eine Sonderrolle in der Natur ein. Sie wachsen zwar verwurzelt, wie Pflanzen, aber sie weisen einige Eigenschaften auf, die sonst dem Tierreich zugeordnet werden. So enthalten ihre Zellwände u.a. Chitin, aus dem auch der Panzer von Krebstieren, Insekten oder Spinnentieren besteht. Außerdem fehlt ihnen das Chlorophyll (Blattgrün), aus dem Pflanzen mit Hilfe von Sonnenlicht Energie gewinnen. Sie müssen also, wie Tiere, zur Energiegewinnung organische Stoffe aufnehmen.
Pilze machen etwa ein Viertel der gesamten Biomasse der Erde aus und es gibt etwa 100.000 zur Zeit bekannte Arten, die in „niedere“ (zu ihnen gehören z.B. die Schimmelpilze) und „höhere“ Pilze eingeteilt werden. Die Heil- und Speisepilze, auch als „Großpilze“ bezeichnet, gehören zu den „ höheren Pilzen“ und bestehen aus einem Hut, einem Stiel und einem oft unter der Erde verlaufenden Geflecht (Mycel).
Die Heilpilze enthalten eine Vielzahl von Inhaltsstoffen, zu denen Mineralien, Spurenelemente,Vitamine und deren Vorstufen zählen, sowie Aminosäuren, die Bausteine von Proteinen (d.h. Eiweiß). Hierbei handelt es sich vor allem um essentielle Aminosäuren, das sind solche, die der menschliche Körper nicht selbst bilden kann und mit der Nahrung aufnehmen muss.
Im Rahmen der MS-Erkrankung sind bei den Vitaminen u.a. diverse B-Vitamine und Vitamin D bzw. Vorstufen des Vitamin D in den Heilpilzen bedeutsam. Vor allem aber finden sich in den Vitalpilzen viele komplexe Mehrfach-Zuckerverbindungen, die Polysaccharide. Diese haben u.a. immunmodulierende Eigenschaften, das heißt, sie können das Immunsystem da dämpfen, wo es überschießend reagiert und dort unterstützen, wo es zu schwach ist. Polysaccharide wirken entzündungshemmend und hemmen außerdem die Wirkung freier Radikale sowie die Histaminfreisetzung, so dass sie auch Allergien günstig beeinflussen.
Andere Polysaccharide können zum Beispiel den Blutzuckerspiegel und die Durchblutung günstig beeinflussen und den Fettstoffwechsel regulieren oder ausgleichend auf die Psyche wirken und Organfunktionen z.B. von Herz und Leber unterstützen.
Verschiedene Pilze enthalten auch Stoffe, die gegen Viren, Bakterien und schädliche Pilze wirksam sind. Dabei handelt es sich um sogenannte Terpene, zu denen die ätherischen Öle zählen. Zudem ist eine entgiftende Wirkung, die den Körper dabei unterstützt, sich über die Ausscheidungsorgane von Schadstoffen zu befreien, erwiesen.
Heilpilze enthalten viele Ballaststoffe und Präbiotika. Dadurch haben sie einen positiven Effekt auf die Gesundheit des Darmes. Weil der Darm das zentrale Organ unseres Körpers in Bezug auf die Abwehrkräfte ist, gehört seine Stärkung zu den grundlegenden Aufgaben einer Therapie, die das Immunsystem unterstützt.
Einer der Pilze namens Hericium enthält Inhaltsstoffe, die den sogenannten „Nerve growth factor“ fördern, der eine Regeneration von Nervengewebe und der Myelinscheiden (das sind die Marklager der Nerven) bewirkt. In allen Heilpilzen findet sich eine Kombination aus vielen verschiedenen Inhaltsstoffen, die vom menschlichen Körper allgemein besser verwertet werden können, als isolierte und künstlich hergestellte Einzelstoffe. Es ist im Allgemeinen günstiger, z.B. Vitamine aus der Nahrung in Form von Obst, Gemüse und Getreide (Vollkorn) oder eben Pilzen aufzunehmen, als in Form von Tabletten, weil die Nahrungsmittel neben den Vitaminen auch noch diverse sekundäre Pflanzenstoffe enthalten, die für die optimale gesundheitliche Wirkung notwendig sind. Das Zusammenspiel und die Wechselwirkungen der Vitalstoffe im Körper ist so komplex, dass der Körper dann besser „entscheiden“ kann, wie viel er jeweils gerade von den einzelnen Stoffen benötigt und einen etwaigen Überschuss besser ausscheiden kann. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass in komplexen Vielstoffgemischen, wie Nahrungsmittel und (Heil)pflanzen sie darstellen, synergistische Wirkungen der Inhaltsstoffe untereinander auftreten, d.h. sie verstärken sich gegenseitig in ihren positiven Wirkungen, wohingegen unerwünschte Wirkungen und auch allergische Reaktionen minimiert werden. Das ist ganz im Sinne des antiken Arztes Hippokrates (400 v. Chr.), dem der Ausspruch zugeschrieben wird:
„Lasst die Nahrung eure Medizin sein und nicht die Medizin eure Nahrung.“